Unser Anti Gewalt Training
Der pädagogische Ansatz:
Gewaltbereite Jugendliche bagatellisieren und entschuldigen ihr Verhalten zunehmend und bedienen sich an vermeintlich Schwächeren um ihr mangelndes Selbstwertgefühl aufzuwerten und ihren vermeintlichen Status in der Clique zu festigen. Der von dem Oberhausener Sozialpädagogen und Anti-Aggressions-Trainer Rainer Gall vertretene Grundsatz „Abweichendes Verhalten verstehen, aber nicht akzeptieren“ ist das programmatische Leitmotiv unseres Trainings. Das Training beruht auf einem lerntheoretisch-kognitiven Paradigma, wobei Erkenntnisse der Aggressionstheorien im Vordergrund stehen.
Das Ziel
Wir wollen gemeinsam mit den Tätern verschiedene Möglichkeiten erarbeiten, aus Konfliktsituationen ohne tätliches und gesetzwidriges Handeln herauszugehen und zugleich ihr Gesicht zu wahren. Mit dem Ansatzpunkt einer vertrauensvollen Beziehung werden die Teilnehmer mit ihren Taten, deren Konsequenzen für die Opfer und zugrunde liegende Schlüsselreize massiv konfrontiert.
Die Teilnehmer und deren Motivation
Die Gruppe setzt sich aus Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren zusammen, die das Anti-Gewalt-Training per richterlicher Auflage absolvieren müssen.
Bei den teilnehmenden Jugendlichen handelt es sich vorwiegend um Wiederholungstäter, die immer wieder durch aggressives, destruktives und körperbetontes Verhalten auffällig geworden sind. Das erfolgreiche Absolvieren des Trainings eröffnet den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Haftstrafe nicht im Jugendstrafvollzug, sondern als Bewährungsstrafe zu verbüßen. Die Selbstbeobachtung der leichten Provozierbarkeit führt bei den Jugendlichen zu der Angst, bei der ersten verbalen Auseinandersetzung auf der Straße wieder gewalttätig zu werden. Diese Angst versucht unser Anti- Gewalt-Training zu bewältigen.
Zielorientierung
Unser Training ist grundlegend deliktspezifisch. Die kognitiven Aspekte des Trainings streben eine Einstellungsveränderung der Teilnehmer an, eigens in Bezug auf die Opferempathie. Für die Konzeption unseres Trainings bedeutet dies im Detail:
- Förderung der Kommunikationsfähigkeit
- Förderung der Fähigkeit zu Kooperation
- Vermittlung / Lernen von gewaltfreiem Handeln in Konfliktsituationen
- Finden und Annehmen von Zielen / Teilzielen
- Aushalten von Provokation
- Reduzierung von Feinbildern
- Gewaltloses Verhalten in Bedrohungssituationen
Umsetzung
Der zeitliche Rahmen sowie Uhrzeit und Dauer der einzelnen Trainingseinheiten werden mit jeder Gruppe individuell vereinbart.
Die Regeln
In dem schriftlichen Vertrag sind die Regeln des Anti-Gewalt- und Deeskalationstrainings fixiert. Grundregel: Jeder Teilnehmer erscheint ohne Einfluss von Alkohol und Drogen jeglicher Art zum Training! Wir halten folgende Regeln während des Anti-Gewalt- und Deeskalationstrainings ein:
- Jeder darf aussprechen!
- Niemand wird ausgelacht oder fertig gemacht!
- Niemand wird verletzt!
- Jeder spricht für sich, „Ich-Aussagen“!
- Vertraulichkeit, „das bleibt unter uns“!
- Jeder nimmt an den Übungen teil. Ausprobieren ist Pflicht!
- Stopp heißt STOPP. Aussetzen jeden Handelns!
Die Methoden
Die Methodik unseres Trainings gliederte sich in vier Phasen:
Die Integrationsphase:
In dieser Phase wird die Teilnehmermotivation der Jugendlichen thematisiert. Den Teilnehmern wurde in dieser Phase unmissverständlich dargelegt, dass eine rein sekundär orientierte Motivation (Aussetzung der Haftstrafe zur Bewährung) für die Erreichung des Trainingsziels Aggressionsdegradation nicht hilfreich ist. Im weiteren Verlauf dieser Phase schildern die Jugendlichen einschneidende Erlebnisse aus ihrer eigenen Biographie. Auf der Grundlage dieser biographischen Erfahrungen und dem aktuellen Lebenssituation werden individuelle Ziele jedes einzelnen Teilnehmers besprochen und auf Zwischenziele hin durchleuchtet.
Die Konfrontationsphase:
Die auslösenden Reize werden schließlich in Form von Rollenspielen aufgegriffen, so dass die Teilnehmer emotional aufgeladene Situationen noch einmal durchleben.
Nach den Provokationen wurden die Gewaltrechtfertigungen der Teilnehmer solange mit der Gruppe hinterfragt, bis jeder Jugendliche die Bereitschaft signalisierte, sich mit den realen Tatfolgen und deren Beweggründen auseinanderzusetzen. Das Einbeziehen der Opferperspektive hat zum Ziel zugleich den Abbau der Neutralisierungstechniken und den Aufbau von Empathie zu veranlassen.
In diesen Teil des Trainings fließen auch Kampfspiele mit ein. Hier lernen die Teilnehmer, ihr Kraftpotential angemessen einzusetzen und zu kontrollieren.
Die Gewaltverringerungsphase:
In dieser Phase befasste sich entscheidend mit den inneren Einstellungen unserer Teilnehmer. Ziel dieser Phase war es, den Teilnehmern die Erkenntnis zu vermitteln, dass das gewaltlose Verlassen einer kritischen Situation nicht als Feigheit und Schwäche, sondern vielmehr als Souveränität und Stärke verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang diskutierten wir im Plenum das Kosten-Nutzen-Gefälle von aggressivem und strafbarem Verhalten.
Die Nachbetreuungsphase
Diese Phase bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, auch nach Abschluss des Trainings mit uns in Kontakt zu treten und Hilfestellungen bzw. Kontaktadressen zu erfahren. Zudem ist geplant, ehemalige Teilnehmer als „Hospitanten“ einzuladen und über ihren Wandel zu einem friedfertigeren Verhalten vor der Gruppe sprechen zu lassen. Die hierbei entstehende Gruppendynamik wollen wir in Zukunft methodisch nutzen.
Presseartikel
22.05.2008 Rheinische Post
Konflikte lösen lernen mit Zündstoff: Die 2. Chance
22.05.2008 Lokalanzeiger
Bei Zündstoff bleiben sie gelassen